Während der gemeine Gärtner seine Gemüseerträge pro Quadratmeter angibt, rechnen Niklas Weisel und Philipp Förster in Schnurmetern. Daraus ergeben sich dann Sätze, wie: „Ein halbes Kilogramm Salat kann man ungefähr aus einem Meter Schnur ernten.“
Wer verstehen will, was sich hinter einer solchen Aussage verbirgt, muss ins Erzgebirge nach Sehmatal-Cranzahl fahren. Dort steht eine alteingesessene Fabrik für Beschwerungskordeln, wie man sie zum Beispiel für Gardinen oder Spezialkabel braucht.

Da aber immer weniger Gardinen weltweit verkauft werden, beginnt Niklas Weisel als frischgebackener Geschäftsführer und Verfahrenstechniker zu überlegen, welche anderen Aufgaben so eine Maschine übernehmen kann, die normalerweise Metallketten in Schnüre füllt.
Und wie so oft im Leben, entstehen die besten Ideen quasi nebenbei. In diesem Fall beim Spaziergang querfeldein. Warum nicht Grassamen statt Metallkugeln in die Schnüre füllen und so grüne Wände bauen?
Seitdem experimentiert der 32-Jährige, gemeinsam mit dem nur drei Jahre jüngeren Philipp Förster, der einen Abschluss als Gartenbauingenieur hat, mit verschiedenen Samenkörnern.

Diese werden in ein Gestell gespannt, kontinuierlich bewässert und nach knapp zwei Wochen fangen die Schnüre an zu grünen. Es wachsen Feldsalat, Petersilie, Kresse oder Pfefferminze aus der gewundenen Textilkordel und man kann immer wieder frische Blätter ernten. Anfangs waren die beiden skeptisch, ob die Wurzeln, die ja direkt aus der Schnur mitwachsen, überhaupt existieren können, doch es zeigte sich: Wurzeln brauchen weder Erde noch Dunkelheit.
Stattdessen winden sie sich Lage um Lage um die Schnur und verwandeln ein millimeterdickes Stück Schnur in ein fingerdickes tauartiges Gebilde.
Als das so gut klappt, gehen die Beiden noch ein Stück weiter und befüllen die Schnüre mit handelsüblichen Anzuchtblöcken aus Steinwolle. Darin kann man Pflanzenstengel direkt eindrücken– Melisse, Rosmarin oder gar Orchideen – alles scheint möglich.
„Botanic Horizon“ heißt die kleine Firma aus dem Erzgebirge, die grüne Wände wachsen lässt, für Menschen mit wenig Platz und ohne Garten, doch viel Sinn für ausgefallene Ideen.